Mittwoch, 8. Juni 2011

„Paradoxe Intervention“ der Unternehmer gegen S21

(Stuttgart, den 8.6.2011) Am Donnerstag, den 9. Juni 2011 beteiligt sich eine große Gruppe der „Unternehmer gegen S21“ (UgS21) an der morgendlichen Blockade der Baustelle für das Grundwassermanagement. Dies dürfte das erste Sit-In von Unternehmern in Deutschland, vielleicht sogar weltweit sein. Aus unternehmerischer Sicht werden ein vollständiger Bau- und Vergabestopp sowie die Einstellung des Projektes gefordert.

Die über 40 Inhaber und Geschäftsführer  baden-württembergischer Unternehmen der unterschiedlichsten Branchen und Betriebsgrößen wollen ein entschlossenes Zeichen gegen den Weiterbau am Projekt S21 setzen. An einer für Unternehmer völlig untypischen Aktion beteiligen sie sich mit den  ultimativen friedlichen Mitteln, die ein demokratischer Bürger als Protest in eine politische Auseinandersetzung einbringen kann: den eigenen Körper und den zivilen Ungehorsam. Sie zeigen auf diese Weise ihren Widerstand gegen das ökonomisch und ökologisch unverantwortliche Handeln der Deutschen Bahn AG.

Als Unternehmer rufen die Demonstranten die Deutsche Bahn AG auf, ihren rücksichtslosen Konfrontationskurs gegen die Kunden, gegen die Bürger, welche die Real-Aktionäre der AG sind, gegen die Landesregierung und letztlich auch gegen sich selbst zu beenden.
Der Nutzen und der zu erwartende Erfolg des Projektes wurden in der Schlichtung unter Dr. Heiner Geißler mehr als hinterfragt und seither in keinster Weise mehr nachvollziehbar hinterlegt. Stattdessen reihen sich Risiken, Pannen und Kostensteigerungen zu unüberwindlichen Hürden auf.

Die Realisierung des Projektes ist höchst ungewiss. Unternehmerisch verantwortungsvolles Handeln verbietet, dass bis zur  abschließenden Klärung der offenen Fragen, bis zum Vorliegen fehlender Genehmigungen und belastbarer Kalkulationsunterlagen weitere Fakten durch ggf. irreversible Bauarbeiten oder Vergabe von Aufträgen geschaffen werden.
Die Kosten und die Leistungsfähigkeit des Projektes sind in elementaren Bereichen noch nicht geklärt. Die Bahn hat die Zeit seit der Schlichtung nicht genutzt, um einen transparenten Stresstest für S21 durchzuführen. Im Ergebnis des Stresstestes muss mit erheblichen Aufwendungen für weitere Optimierung gerechnet werden, die in der heutigen Kalkulation nicht enthalten sind. Die Planfeststellungen für wichtige Bereiche des Projektes in Stuttgart (u.a. ICE Bahnhof am Flughafen) und auf der Neubaustrecke, deren Realisierung für das Funktionieren eines Stuttgarter Tiefbahnhofs unabdingbar wäre, liegen nicht vor oder sind nicht abgeschlossen. Damit lassen sich umfangreiche Kostenblöcke des Projektes noch nicht einmal annähernd bestimmen. Die UgS21 fordern daher eine glaubwürdige Projektkalkulation und bis zu deren Vorlage einen Bau- und Vergabestopp!

Darüber hinaus besteht eine Reihe offensichtlicher und noch nicht abschließend durch Genehmigungsbehörden bewerteter und ausgeräumter Risiken. Aktuell ist vor allem das sogenannte „Grundwassermanagement“ zu nennen, dessen Wasserdurchsatz gegenüber dem Genehmigungsstand um mehr als den Faktor 2 von 3 Mio auf 6,8 Mio qm erhöht werden soll. Selbst für OB Dr. Wolfgang Schuster ist die Unversehrtheit der Mineralquellen von größter Bedeutung.  Eine Gefährdung wäre lt. Schuster ein klares Ausstiegskriterium aus dem Projekt S21. Da hier die Substanz der Stadt Stuttgart an einer ihrer empfindlichsten Stellen betroffen ist, fordern die UgS21 einen kompromisslosen Bau- und Vergabestopp bis zur Klärung dieser elementaren Fragen.

Ein Bau- und Vergabestopp dient dem Schutz der Deutschen Bahn AG und der mit den Aufträgen betrauten Lieferanten. Sowohl die Verantwortlichen der DB als auch die potentiellen Auftragnehmer sind ausführlich über die gegenwärtige politische Dimension des Projektes informiert. Wenn das Projekt endgültig scheitern sollte, können weder die Deutsche Bahn noch ein anderes beteiligtes Land gegenüber der Stadt Stuttgart und / oder dem Land Baden-Württemberg Schadenersatzansprüche geltend machen, allerdings können Schadenersatzforderungen gegenüber dem Bauherrn geltend gemacht werden. Die Deutsche Bahn AG kann die Verantwortung nicht auf die Gesellschaft abwälzen, denn die Umstände treten nicht überraschend, sondern zwingend absehbar ein. Damit hat die Bahn mögliche Schäden bedingt vorsätzlich, mindestens aber grob fahrlässig herbeigeführt. Die UgS21 fordern daher einen sofortigen Bau- und Vergabestopp bis zur abschließenden Klärung durch eine Volksabstimmung.

Als Unternehmer, denen nachhaltiges Handeln und der Nutzen der Kunden am Herzen liegen, fordern die UgS21 einen sorgsamen Umgang der Bahn mit den ernsthaft und gewissenhaft vorgetragenen Problemen. So wie die UgS21 sich zu einer kompromisslos friedlichen demokratischen Auseinandersetzung bekennen, fordern sie vom Vorstand der DB AG einen Verzicht auf die rücksichtslose Ausübung der monopolartigen Rechte gegenüber der Gesellschaft.

Die UgS21 sind ein Zusammenschluss von zwischenzeitlich 950 Unternehmern, die sich nach reiflicher Prüfung gegen das Projekt gewendet haben. Die UgS21 hat sich im Herbst 2010 gegründet und blickt auf ständig steigende Teilnehmerzahlen. Mehrere Arbeitsgruppen beschäftigen sich mit Fragen des nachhaltigen Wirtschaftens, dem Kammer-Recht der IHK und der HWK, der Qualitätssicherung politischer Prozesse und der Kooperation mit bestehenden Wirtschaftsverbänden.

Einen ersten großen Erfolg erzielten die „Unternehmer gegen S21“ mit ihrer Klage gegen die IHK Stuttgart. Im April 2011wurde der Kammer die unerlaubte Werbung für das Projekt S21 gerichtlich untersagt.

Stefan Krüger

Unternehmer gegen Stuttgart 21
Freie Unternehmer-Initiative e.V.

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